Aufzeichnung

Von Herrn Franz Kubiczek, ehem. Oberlehrer in Komornik/Kammersfelde /bei Oberglogau/

Hofheim, den 20.2.1952

 

Wie es in Gr.- Peterwitz vor etwa 150 Jahren ausgesehen hat.

Der Weg nach Ratsch war nicht gepflastert. Er war in dem zustande, wie der jetzige Weg von Gr.- Peterwitz nach Stolzmütze. Von der Kreuzkirche bis nach Ratsch war ein großes Sumpfgelände. Bei anhaltendem Regen besonders im Herbst war diese Strecke in einem schrecklichen zustande. Die Wagenräder fielen von einem Loch in das andere. Die schlimmste Strecke war aber von der weißen Kapelle bis zur Kreuzkirche. Hier war ein plötzlich steil abfallender Hügel. Die Leute jammerten und zitterten, wenn sie diesen Weg fahren mussten. Einen leeren Wagen hochzubringen hatten zwei starke Pferde knapp geschafft. Wenn die Leute von den Wiesen auch nur eine kleine Fuhre Heu nach Hause bringen wollten, mussten sie an dieser Stelle 4 oder 6- spännig fahren.

Diesem Übelstand hatte mein Onkel Bernhardt, der 24 Jahre Scholze war, und dessen Stimme im Kreistag eine bedeutende Rolle spielte, wahrscheinlich auch durch Unterstützung des Ratscher Pächters, abgeholfen, indem er den Kreis veranlasste, eine Chaussee nach Ratsch zu bauen. Von Ratsch nach Tröm wurde sie erst später gebaut. Als Zeichen der damaligen Zustände siehst Du noch zu beiden Seiten, kurz vor der Kreuzkirche, die hoch aufgeschütteten Dämme.

Das Gebiet an der Troja, also von der Katscher Grenze bis zur Zauditzer Strasse war ein einziger Sumpf. Das Land war herrenlos, es gehörte niemandem. Dort wurden Tag für Tag nur Pferde gehütet. Später wurde das Land aufgeteilt. Es wurde ein Graben /Kanar/ gezogen und der Sumpf entwässert. Von den Krautfeldern bekam jede Wirtschaft eine Parzelle. Die größeren Bauern bekamen größere Flächen, die Häusler bekamen kleinere Flächen. Uns wurde die jetzt noch im Besitz befindliche Parzelle zugeteilt /Spollek/.

Die Chaussee von Gr.- Peterwitz nach Ratibor war nicht dort, wo sie heute ist, sondern führte hinter der Kirche links ab, also dort, wo jetzt der Weg zur Mühle führt. Die Bahn war noch nicht da. Der Weg führte eine kleine, schmale Holzbrücke. Der Weg überquerte die Strasse nach Kornitz an Paulshof vorbei und führte durch Schardzin und Domshöhe nach Ratibor.
Wenn man hinter unserer Scheune in der Richtung nach Paulshof blickte, sah man am Horizonte 2 große Bäume stehen. Meine Mutter sagte uns: "Siehst du, dort führte früher die Strasse nach Ratibor". Also an den 2 großen Bäumen vorbei. /Diese Tatsache ist wichtig, weil man erst naher verstehen kann, wie die Gegend am Bahnhof vor dem Bau der Bahn ausgesehen hatte./

Da, wo das Bahnwärterhäuschen an der Zinnabrücke steht, stand ein kleines Häuschen. Das gehörte meinen Großeltern, den Urgroßeltern und wer weiß, wie viel Ur-Ur-Urgroßeltern vorher auch noch. In diesem Häuschen ist mein Vater geboren. In der Richtung nach Makau, an der Zinna entlang, wo jetzt der Bahnhof, der Güterschuppen und das ganze Bahngelände ist, war ein Garten mit vielen, vielen Obstbäumen. Das gehörte alles meinen Großeltern, also meinen Ahnen. Als die Bahn gebaut wurde, wurde uns alles enteignet. Mein Vater bekam das Haus No 91, das jetzt zum Besitzer meinen Neffen Heinrich Kubiczek hat.

Das angrenzende Gebiet um den Bahnhof gehörte Dominium. Die Kneipe /Jockiel/ vormals Glania gehörte zum Dominium. Hinter dem Gasthause war die Brennerei, jetzt noch Palarnia genannt. Ob auch die Mühle zum Dminium gehörte, weiß ich nicht. Da, wo Neumanns Gasthaus steht, war die Schäferei und dahinter die Spinnerei. Meine Mutter arbeitete noch in der Spinnerei.

Das Schloss selbst war an derselben Stelle, wo jetzt die Schule ist. Das Schloss ist zur Schule umgebaut worden. Ich ging noch die Schlossschule. Die jetzige Schule ist kurz vor dem ersten Weltkriege gebaut worden. In dem zweiten Weltkriege ist auch diese neue Schule ausgebrannt.

Zum Dominium gehörte auch das Land auf der neuen Kolonie, also wenn man von der kleinen Seite zur Zucker-bezw. Flachsfabrik geht, auf der linken Seite. Auch dieses Gebiet hatte mein Onkel Bernhardt für die Gemeinde gekauft und dann an die einzelnen Besitzer verkauft. Alles auf Ablösung, bzw. Rentenbasis.

Zum Dominium gehörte ferner der Acker zu beiden Seiten der Zauditzer Strasse. Auch dieser Acker wurde den Bauern und Häuslern übergeben. Mein Vater hatte den Acker erworben, der noch heute den Namen "na painskie" führt. Einer der letzten Besitzer des Dominiums war ein gewisser Friedländer. Wer das war, weiß ich nicht. Bekannt ist mir nur, dass ein Friedländer aus Oppeln oder Breslau die letzte Löschung vollzogen hat. Vorher muss auch ein österreichischer K.K. Kämmerer von Strattenbach aus Brünn Besitzer gewesen sein, denn bei der Ablösung der Leibeigenschaft musste an diesen genannten Österreicher eine Urkunden, die von der Befreiung von der Leibeigenschaft berichtet.

Gr. Peterwitz hat 2 Strassen, die große Seite und die kleine Seite. Die große Seite war schon immer gepflastert. Die kleine Seite hatte lange Zeit kein Pflaster. Der Weg war im Herbst steht's ein schrecklicher Morast. Das Pflaster wurde etwa 1890 aufgetragen.. Die Bezeichnung "große Seite" ist wohl darauf zurückzuführen, weil hier meistens die großen Bauernhöfe standen. Wenn man die Wirtschaften von der Kirche - Richtung Katscher - durchgeht, dann standen dort lauter große Bauernhöfe wie: Gotzmann, Kutzik, Glania, Skerhut, Klemenz /vorher war dort ein anderer - Name ist mir nicht bekannt. / Wieder / jetzt Ziegeleier /, Glania / jetzt Gasthaus Mludek/ , Newerla, Balzar / Spitzname /, Wrana/Spitzname - Pientka/ , Krettek, Skerhut, Tziepli, Pientka, Steuer /jetzt - neuer Besitzer / u. s. w. also alles Grossbauern. Die Wirtschaften sind schon zum Teil aufgeteilt worden, vielfach durch die Heirat der Kinder.

Auf der "kleinen Seite" waren dagegen nur wenige Grossbauern, dafür mehr kleine Besitzer. Darum wohl die Bezeichnung "große" bzw. "kleine" Seite. Dazwischen ist alles später erbaut worden.

Es waren doch prächtige Wirtschaften, die sich von der Kirche bis zum Dorf ende an der Ratscher Strasse erstreckten. Eine war so gebaut wie die andere. Jede hatte eine Besitzgröße von 60 bis 80 Morgen. Das Wohnhaus war mit Schiefer gedeckt. Das Dach ragte über die hinaus und gestattete einen trockenen d.h.bedeckten Gang bis zur Stallung. Wohnung, Stallung und Schuppen waren stets unter einem Dach. Die Scheune stand weit vom Hause entfernt. Alle Häuser sind nach einem Plan gebaut. Vom Hausflur führt eine Tür geradeaus in die Küche. Links führte eine Tür in die große Stube. Daneben ist ein schmales Zimmer, meist als Schlafzimmer. Rechts vom Hausflur ist das Gewölbe. Das ist meistens das Mädchenzimmer. Die große Stube hat 2 Fenster auf die Strasse und 1 Fenster in den Hof. Das Schlafzimmer hat 1 Fenster auf die Dorfstraße. Die Küche hat 1 Fenster zum Nachbar

Das Auszugshaus stand auf der anderen Hofseite. Merkwürdig ist, dass bei den Wirtschaften auf der großen Seite das Wirtschaftsgebäude, d. h. das Wohnhaus links und das Auszugshaus rechts steht. Auf der kleinen Seite ist es umgekehrt. Da steht das Wohnhaus auf der rechten und das Auszugshaus auf der linken Seite. Woher das kommt, ist mir nicht bekannt. Eine solche Bauweise, wie die oben genannte, nennt man die fränkische Bauart.
Warum sind die Wirtschaften alle nach einem Muster so gleichmäßig gebaut? Scheinbar deshalb weil es damals nicht so viele Architekten gab, die den Leuten alle möglichen Bauarten aufschwatzen konnten. Diese fränkische Bauart zieht sich von Groß- Peterwitz und Kranowitz westwärts über Katscher, Leimerwitz, Nassiedel, Hochkretscham, an Jägerndorf vorbei; umfasst eine großen Teil des Kreises Neustadt O/S, breitet sich wieder im Kreise Neisse und Grottkau aus und erstreckt sich bis Münsterberg und Frankenstein, Sie zieht sich also ziemlich an den Sudeten entlang bis kurz vor Silberberg. Nördlich dieser genannten Linie, also etwa von Makau, Stolmütz, Matzkirch, Gr. Graden, die Gegend um Oberglogau bis nach Friedland und Falkenberg hat eine ganz andere Bauart. Diese hat schon einen ziemlich polnischen Einschlag, nämlich: kleines Tor, ohne Auszugshaus, also meistens ohne Gleichmäßigkeit. Auch im Inneren sind diese Häuser anders gestaltet, wie die oben genannte Bauweise.

In den Wirtschaften gab es unheimlich viel Arbeit. Da durfte man keinen Tag auslassen. Wer nicht immerfort arbeitete, seine Ernte rechtzeitig heimbrachte etc. kam unbarmherzig unter die Räder. Auch durch die Heirat der Töchter, bzw. Söhne wurden viele Wirtschaften geteilt. Andere gingen auf andere Weise auseinander. Die kleineren Leute griffen zu und deshalb sind so viele kleine Pinscher überall anzutreffen.

Ehe ich einige Skizzen von meine Ahnen zeichne, möchte ich auf einige Originale hinweisen, wie sie ja wohl überall anzutreffen sind. Bei meinem Onkel Bernhardt diente ein Pferdeknecht, ein kreuzbraver Kerl. Er heiß Falkus. Wir hatten ihn alle gern. Er führte uns manchmal in seine Pferdestall und war seht stolz, wenn wir ihm beim Pferdeputzen zusahen. Er hatte sich auch oft einen gekauft, war aber in seinem Rausch sehr gutmütig. Er war bei allen Leuten bekannt, nicht nur bei uns Jungs, sondern auch bei den Prominenten. Nun hatte der Bahnhof zum Vorsteher einen gewissen Nolda; hatte im Dorfe austrommeln lassen, dass am nächsten Donnerstag ein Extrazug aus Ratibor nach Pet. Kommen werde. Wahrscheinlich wird der Kaiser oder sonst ein Herrscher ankommen. Die Leute mögen sich in Sonntagskleidern am Bahnhof einfinden. Der Donnerstag kam. Der gesamte Bahnhofsvorstand trat in Gallauniform, mit weißen Handschuhen an. Die meisten Prominenten hatten sich versammelt. Der Extrazug kam auch tatsächlich an. Und wer entsteig ihm? Falkus mit einem ziemlichen Schwips. Das Gelächter war groß. Manche schimpften, manche lachten. Nolda hatte einen riesigen Spaß. Der hatte nämlich den Extrazug bestellt. Kosten: etwa 50 Mark. Für die damalige Zeit eine sehr hohe Summe.

Ein anderes Original war Matulla. Ich glaube, er hieß Wieder und wohnt neben Ziegeleier, da, wo das steinerne Kreuz steht. M. war ein kleiner Mann mit einem langen Vollbart. Er hatte einen Hengst und saß immer darauf. Ob es aufs Feld ging, ob es vom Feld ging, M. saß immer auf dem Hengst. Er hatte immer Zeit. Aufs Feld fuhr, bzw. Ritt er erst gegen Mittag, oder gar erst Nachmittag. Vom Felde ging es erst spät in der Nacht. Wenn wir schon schlafen gegangen sind, und es rollte noch ein Wagen auf der Straße, sagten wir uns: "Jetzt fährt erst M. nach hause." Roggen wurde in seiner Wirtschaft nie angebaut, denn bekanntlich wird der Roggen im Herbste gesät, aber M. war mit seiner Arbeit noch nicht fertig. Also wurde Roggen nie angebaut.

Zum Osterreiten ritt er auf seinem Hengst als Letzter. Das gab immer bei den Zuschauern ein großes "Hallo". In die Kirche kam er erst nach der Wandlung. Da er sich nicht mehr durchdrücken konnte, musste er meistens in der Halle stehen bleiben. Wenn die Leute nach Hause gingen, musste er noch in der Kirche bleiben und nachholen, was er versäumt hatte. Er schlug sich nicht dreimal an die Brust, wie es fromme Christen machen, sondern um es gut zu machen, mindestens dreißigmal und das ging so schnell wie mit einer Maschine. Sein Zuspätkommen war sprichwörtlich geworden und wenn einer von uns irgendwo zu spät kam, da hieß es gleich: du kommst so spät wie Matulla. Es war eben ein Original. Solche und ähnliche Sonderlinge gab es noch mehrere, doch sind die beiden Genannten diejenige, die am meisten hervorgetreten sind. Die Leute hatten eben Zeit und freuten sich, wenn sich die anderen über sie lustig machten

.Es ging die Sage um, von der Schlossschule zur Malzfabrik frühre ein unterirdischer Gang. Dort sitze eine goldene Ente auf 4 goldenen Eiern. Das sei der Schatz der Besitzer des Dominiums. Tatsache ist, dass an einer Ecke der Südseite, und zwar an der Ecke zur Bahn eine Treppe hinunter führte. OB es da in den Keller ging oder in den vermutliche unterirdischen Gang, konnte ich nicht feststellen.

In der Schlossschule gab es auch Gespenster. In dem hohen Flur hallte jeder Schritt und wenn der Wind eine Tür zuschlug, dann krachte es fürchterlich. Pfiff der Wind durch das haus, dann sagte die Leute: "Aha, jetzt geht wieder die Melusine durchs Haus, da wird es wieder im Dorfe brennen, oder es wird sich jemand aufhängen". Und tatsächlich ist dann in einiger Zeit ein Unglück eingetreten.

Namen die echt deutschen Ursprungs sind: Weiner, Steuer, Dürschlag, Gotzmann, Skerhut, Kurdaß, Bernardt, Wanke, Herud, Wieder, Tebel /d.h. Teufel/, Sachway, Kluger.

Namen die ins Mährische hinweisen: Slama, Krettek, Balzar, Mludek, Wollnik, Glania, Kotterba, Wrobel, Kaffka, Wrana, Czayka, Schebesta.

Namen, die ins Tschechische gehen: Martinek /falsch ist Martzinek oder Marzinek/. Martinek geht in Richtung Wien, etwa bis Hollabrunn.

Kubitzek. Der Name findet sich ziemlich oft in der Tschechei und geht über Prag bis in den Böhmer Wald. Hier schreiben sich die Leute meistens Kubischek. Richtig ist vielleicht Kubitek, also ohne "z". Kubischek kommt auch vor. Newerla d.h. Niewirli, ungebührlich, unausgebrütet.

Namen, die ins Polnische übergreifen: Koza, Philippczyk, Abrahamczyk, Czabania, Buchacz, Komarek, Kaistra, Chrobok, Tziepli.