"Historisches"

Der Kreis Ratibor, polnisch Racibórz, entspricht etwa dem Gebiet, das langläufig als "Ratiborer Land" be-
zeichnet wird. Es liegt in der Senke zwischen den Kaparten und den Sudeten, Mährische Pforte genannt, im Zuflussgebiet der oberen Oder und war schon früh Siedlungsgebiet des Menschen. Die Spuren ersterb_150_100_16777215_00_images_Ratibor-Dateien_geschichte_karte2.jpg menschlicher Ansiedlungen stam-
men aus der Altsteinzeit (bis 9000 v. Chr.). Sie sind in mehreren Ortschaften zu finden: Boleslau (Bunzelberg), Groß-Peterwitz, Makau und Ottitz. Auch die späteren Zeitalter hinterließen viele Spuren im Ratiborer Land.

Mit der Entstehung des Großmäh-
rischen Reiches (ca. 830) gehörte das Ratiborer Land diesem Staat an. Die erste historische Erwähnung von Ratibor stammt aus dem Jahre 1108, als die Krieger des polni-
schen Herzogs "Boleslaus Schief-
maul" die Grenzburg einnahmen. Um 1172 wurde Ratibor die Hauptstadt des gleichnamigen Herzogtums, das von Mesco aus der polnischen Piastenlinie regiert wurde. Das Herzogtum umfasste nicht nur Ratibor, sondern auch Oppeln, Beuthen, Siewierz, Chrzanow, Auschwitz, Zator, Teschen und Pleß. Der südwest-
liche Teil des heutigen Kreises Ratibor, mit Kranowitz (Kranstädt) und Groß-Peterwitz, gehörte einmal zum Herzogtum Troppau, mal zu Jägerndorf.

Infolge des Streits um den Peterspfennig wurde 1201 die Grenze der kirchlichen Gebiete zwischen den Diözesen Breslau und Olmütz fest gelegt. Die Grenze wurde auf der Psinna, oder Zinna, gezogen. Die Ortschaften südlich des Flusses: Groß-Peterwitz, Schammerwitz (Schammerau), Kranowitz, aber auch Katscher und fast das gesamte Leobschützer Land wurden der Diözese Olmütz zugeordnet. Das hatte später seine nationale und vor allem sprachliche Auswirkungen, da die Bevölkerung deutsche und in der Olmützer Diözese mährisch sprach, wogegen die der Diözese Breslau angehörenden Bewohner die polnische Sprache benutzten.

b_150_100_16777215_00_images_Ratibor-Dateien_geschichte1.jpgDas Herzogtum Ratibor wurde unterdessen einige Male aufgeteilt, wodurch neue Herzog- und Fürsten-
tümer wie Oppeln, Auschwitz, Zator oder Teschen entstanden. Nach dem Tode des Herzogs Lestko, nach 200 Jahre langer Herrschaft der Piasten über das Ratiborer Land, ging 1336 das Herzogtum Ratibor infolge familiärer Verträge in die Hände der Troppauer Premysliden über. So begann der 200 Jahre dauernde Zeitabschnitt der Verbundenheit des Ratiborer Landes mit der Tschechei. Die im 15. Jahrhundert in Tschechien wütenden Hussitenkriege hatten zwar einige Einfälle ins Ratiborer Land zur Folge, aber der neue Glaube konnte hier keine Verbreitung finden.

Nach dem Tode des Herzogs Johann von Oppeln fiel 1532 das Herzogtum Ratibor an Markgraf Georg von Hohenzollern, den "Frommen", der die Verbreitung der Reformation verursachte. Das war auch der Beginn des nächsten Zeitabschnitts zweier Jahr-
hunderte, in die sich die Geschichte Ratibors und ganz Schlesien aufteilte. Das Ratiborer Land war Teil der österreichischen Monarchie. Eine einzig-
artige Bedeutung für die weitere Entwicklung hatte auch die Durchreise des Königs Jan III. Sobieski am 24. August 1683 durch Ratibor, als er der von Türken belagerten Stadt Wien zur Hilfe eilte.

In Folge des nach dem II. Schlesischen Krieg im Juni 1742 abgeschlossenen Breslauer Friedens fiel das Ratiborer Land, wieder für 200 Jahre, an Preußen. Die Südgrenze, die Preußisch- und Österreichisch-Schlesien trennte, wurde entlang dem Oppa-Fluß gezogen. Jedoch das heute in Tschechien gelegene Gebiet von Hoschialkowitz, Hultschin, Deutsch-Krawarn, Groß-Hoschütz bis Odersch wurde dem Leobschützer Land zugeordnet.

1818 ist in Preußen eine neue Gebietsaufteilung eingeführt worden. Der Rybniker Kreis wurde gebildet, an den aus dem Ratiborer Land die Städte Rybnik und Sorau mit den umliegenden Dörfern bis Zyttna und Fischgrund sowie im Nordosten die Orte von Groß-Rauden bis Stanitz (Standorf) abgetreten worden sind. Das Gebiet von Matzkirch, Dobroslawitz (Ehrenhöhle), Dobischau (Hochmühl) und Warmunthau wurde an den Kreis Cosel abgegeben. Aus dem Kreis Leobschütz fielen 51 Ortschaften an Ratibor: von Groß-Peterwitz über Kranowitz bis Boleslaus sowie das heute zu Tschechien gehörende Hultschiner Ländchen.

Am 1. April 1903 wurde Ratibor, das damals 32.500 Einwohner zählte, kreisfreie Stadt. 1910 nahm die Stadt eine Fläche von 2.224 Hektar ein und hatte schon 38.424 Bewohner. Der Landkreis Ratibor umfasste im Jahre 1919 die Stadt Hultschin, 113 Gemeinden und 90 Gutsbesitze mit einer Fläche von 83.654 Hektar, die von 118.923 Menschen bewohnt waren.

Nach den Bestimmungen der Versailler Vertrages wurde am 20. Januar 1920 das Hultschiner Ländchen von der Tschechoslowakischen Republik besetzt, wodurch der Kreis Ratibor, die Stadt Hultschin, 35 Dorfgemeinden und 28 Gutsbesitze mit 28.985,2 Hektar Fläche und 45.856 Einwohner verlor. 1922 folgten weitere Ortschaften. Die am 20. März 1921 in Oberschlesien durchgeführte Volksabstimmung verursachte, dass ein Teil der Ortschaften am östlichen Oderufer vom Kreis Ratibor abgetrennt und der wiederberufenen Republik Polen zugeordnet wurden. Dadurch verlor der Kreis Ratibor 21 Ortschaften und 19 Gutsbesitze - 12.735,9 Hektar und 16.022 Einwohner. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor der Kreis Ratibor insgesamt 44.767,9 Hektar Fläche (53,5 Prozent) und 65.164 Einwohner (54,8 Prozent).

Die wechselvolle Geschichte begünstigte die Bildung einer vielseitigen Kultur. Dieser Prozess dauert bis heute an. Im Ratiborer Land gibt es viele Elemente der polnischen, tschechisch-mährischen und der deutschen Kultur. In diesen Kessel vieler Nationalitäten haben zusätzlich noch Juden und Ukrainer Wurzeln gefasst. Die letzten sind auf der Suche nach Arbeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus Galizien in den Kreis Ratibor gekommen. Nach 1945 bereicherten auch die Umsiedler aus den ehemals polnischen Ostgebieten und dem Revier von Dabrowna die kulturelle Vielfalt.

b_150_100_16777215_00_images_Ratibor-Dateien_geschichte2.jpgAm 31. März 1945 wurde Ratibor von sowjetischen Truppen besetzt, denen im Mai die polnische Ver-
waltung folgte. Es begann die Zeit der Beseitigung von Kriegsschä-
den, die lediglich teilweise durch Kampfhandlungen verursacht waren. Die Stadt Ratibor war zu 85 Prozent zerstört. Das Ratiborer Land wurde der Woiwodschaft (Bundesland) Schlesien-Dom-
browa und später der Woiwod-
schaft Oppeln zugeordnet. Mit Wirkung vom 1. Juli 1975 wurden in Polen die Kreise, darunter auch der Kreis Ratibor, abgeschafft. Zu den kleinsten Verwaltungseinheiten wurden – außer der Stadt Ratibor - die Großgemeinden: Groß-Peterwitz, Kranowitz (Kranstädt), Kreuzenort, Nensa (Buchenau), Ratibor-
hammer und Rudnik (Herrenkirch). Zur gleichen Zeit ist das Ratiborer Land der Woiwodschaft Kattowitz zugeschlagen worden.

Die am 1. Januar 1999 eingeführte Verwaltungsreform ließ wieder den Kreis Ratibor entstehen, der sich um die Großgemeinde Kornowatz vergrößerte. Ratibor nahm die Möglichkeit nicht wahr, erneut eine kreisfreie Stadt zu werden und ist nach 96 Jahren wieder ein Teil des Kreises geworden. Der Kreis Ratibor umfasst heute eine Fläche von 54.400 Hektar und ist die Heimat von 121.000 Menschen. Der Kreis Ratibor besitzt heute vielseitige Entwicklungsmöglichkeiten, etwa aufgrund seines milden Mikro-
klimas, den ergiebigen Böden, das internationale Verkehrsnetz, seine geographisch günstige Lage und nicht zuletzt durch seine arbeitsamen Einwohner.

Ein herausragender Vertreter der deutschen Kultur im Ratiborer Land ist der große Dichter und Roman-tiker Josef Freiherr von Eichendorf aus Lubowitz. Die kulturelle Vielfalt drückt sich auch in den verschie-
denen Architekturstilen und der sakralen Kunst aus. Im Laufe eines Jahrtausends haben die Menschen sehr große wirtschaftliche und politische Veränderungen erlebt. Als Pioniere ökonomischer Leistungs-
fähigkeit können die Mönche des Zisterzienserklosters aus Rudy (Rauden) angesehen werden. In der Neuzeit und in der neueren Gegenwart haben die deutschen Unternehmer (beispielsweise beim Bau des Kölner Doms), polnische Gesellschafter (etwa durch die Gründung der Volksbanken) und heutigen Manager ihre wirtschaftliche Kompetenz zu erkennen gegeben.

 

Quelle www.maerkischer-kreis.de